"In Deutschland können wir Palästinenser treffen und mit ihnen erste Schritte der Verständigung entwickeln", sagt Adi aus Israel mit leuchtenden Augen. "Wir brauchen Partner aus der EU, die uns dabei helfen." Adi nimmt an einem Seminar in der Pfalzakademie Lambrecht teil, das junge Leute aus unterschiedlichen Ländern – Deutschland, Litauen, England, Israel, Palästina, Ägypten – und Religionen – Judentum, Christentum und Islam – zusammenführt. Dazu gehört auch, sich auf Englisch die Geschichten der Großeltern zu erzählen; die anderen hören gebannt zu. So hat eine deutsche Großmutter den Alltag im Nationalsozialismus erlebt, eine litauische wurde nach Sibirien deportiert, ein israelischer Großvater hat als einziger seiner Familie den Holocaust überlebt und ein palästinensischer kämpfte für die Gleichberechtigung seines Volkes im Staate Israel.
Dass die 26 Teilnehmer über ihre Großeltern sprechen, ist kein Zufall. "Auf diese Weise nähern wir uns den brisanten politischen Themen", erklärt Akademieleiter Martin Kaiser, der das Seminar gemeinsam mit der in London lebenden Theologin und Psychotherapeutin Anne Möllers leitet. "Wir holen die Geschichte und die großen Kontroversen aus der Politik auf unsere persönliche Erfahrungsebene herunter, sprechen über uns, unsere Familien und darüber, wie internationale Konflikte unser Leben beeinflussen." Dadurch ergebe sich die Chance, in einen wirklichen Dialog zu treten und Lösungsansätze zu entwickeln.
Kontroverse Themen gibt es bei der fast 14-tägigen Veranstaltung genug: Teilnehmer erarbeiten Schritte für das gegenseitige Verstehen, für einen Dialog der Kulturen und Religionen. "Auch in der deutschen Gesellschaft wird dieser Dialog immer mehr zu einer Schlüsselfrage für die Gestaltung unserer Zukunft", sagt Kaiser. "Mit Seminaren wie diesen bereiten wir Menschen darauf vor, sich für ein friedliches Miteinander zu engagieren." Deshalb werde das Seminar nicht nur aus Mitteln der EU sondern auch aus Mitteln des Bundesinnenministeriums gefördert. Inzwischen wird die Pfalzakademie aufgrund ihrer Erfahrungen mit anderskulturellen Zielgruppen sowohl von regionalen Verbänden und Behörden als auch von landes- und bundesweiten Expertengruppen angefragt.
Vielfältig sind die Themen, mit denen sich die Teilnehmer beschäftigen: Sie tauschen sich aus über Eigen- und Fremdbilder, präsentieren Pressefotos aus der Geschichte und Politik ihrer Länder, besuchen Integrationsprojekte in der Pfalz sowie den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, in einem Theaterprojekt lernen sie, über die Grenzen von Kulturen, Nationalen und Religionen hinweg Zusammenarbeit zu entwickeln und ihren eigenen Verständigungsprozess zu reflektieren. Abschließend ist sich Stefan aus Speyer sicher: "Was ich hier gelernt habe, kann ich auf meine Jugendarbeit vor Ort übertragen. Ich weiß jetzt, wie Menschen Gemeinsamkeiten finden und Unterschiede anerkennen können."