Die Öffnung der deutsch-deutschen Grenze war für mich mit das Bewegendste, das ich miterleben durfte, sagte Bezirkstagsvorsitzender Theo Wieder in der Pfalzakademie in Lambrecht. Zusammen mit Sabine Röhl, Landrätin des Landkreises Bad Dürkheim, diskutierte er mit 24 Schülern aus der Pfalz und aus Thüringen über das Thema Demokratie braucht Demokratinnen und Demokraten. Die Begegnung fand im Rahmen eines einwöchigen Seminars mit dem Titel Ein Land und zwei Geschichten. Alltagswelten und politische Wirklichkeit in beiden Teilen Deutschlands statt.
Der Mut und der Freiheitswillen der Menschen in Ostdeutschland haben diese Bewegung in Gang gebracht, erläuterte Wieder, der sechs Jahre alt war, als die Mauer gebaut wurde und 34 als sie fiel. Mit der Kraft der Idee sei es gelungen, die Wiedervereinigung 1989/90 zu verwirklichen, die in der bundesdeutschen Bevölkerung auf eine breite Zustimmung gestoßen sei. Bei einem solchen Prozess von nationaler, ja sogar europaweiter Dimension dürften nicht, darin waren sich Röhl und Wieder einig, materielle Gesichtspunkte im Vordergrund stehen. Vielmehr sei es damals wichtig gewesen, die einmalige Chance auf die in der Verfassung als Ziel verankerte deutsche Einheit zu ergreifen. Dieses Ziel habe, so Röhl, die ältere Generation sicher stärker verfolgt als diejenige, die erst nach dem Mauerbau geboren wurde. Der Landkreis Bad Dürkheim habe schon früh Kontakte zur DDR gepflegt, insbesondere mit dem Saale-Holzland-Kreis. Politik wird durch Personen gestaltet, erinnerte Röhl, und verwies auf die zahlreichen Aktivitäten des pfälzisch-thüringischen Austauschs.
Wie wichtig die Jugendarbeit in einer Demokratie ist, machten Wieder und Röhl den Schülerinnen und Schülern gleichermaßen deutlich, die alle nach der Wende geboren wurden. Die Jugend gestaltet die Gesellschaft von morgen, daher tausche ich mich gerne mit jungen Menschen aus, legte Röhl dar. Und Wieder ergänzte: Ich will einen Beitrag dazu leisten, dass Jugendliche lernen, immer neugierig und wissbegierig zu sein und immer bereit sind, sich Neuem zu öffnen. Denn die größte Gefahr für eine Demokratie sei eine innere Gleichgültigkeit und Leere. Dass man sich selbst ums Leben kümmern müsse, sei eine Grundvoraussetzung für politisches Handeln.
Im Hinblick auf den Umgang mit rechtsradikalen Kräften sagte Röhl: Man darf im Umgang keine Angst haben. Auf der Basis der Rechtsordnung muss man konsequent gegen Rechtsverstöße vorgehen und Demokratie leben, so Wieder. Auch die Möglichkeit eines Verbots der NPD diskutierten die Teilnehmer. Beide Politiker, von Haus aus Juristen, befürworteten ein solches Verbot zwar inhaltlich, bezeichneten es jedoch als verfahrenstechnisch problematisch. Das Scheitern eines Verbots könnte die NPD stärken, befürchteten sie. Wer Demokrat sein wolle, müsse sich dann bewähren, wenn er in der Minderheit sei; das hieße, er müsse akzeptieren, dass es andere Meinungen gebe. Dies sei der wesentliche Unterschied zu Radikalen. Die Politik müsse sich der Frage stellen, was die Jugendlichen, die sich Radikalen zuwenden, suchen.
Heute haben wir ein Stück Demokratie gelebt mit diesem Satz beendete Pfalzakademieleiter Martin Kaiser, der das Gespräch moderierte, die Diskussion der Politiker mit den neun Schülerinnen und Schülern des Leininger Gymnasiums Grünstadt und des Heisenberg-Gymnasiums Bad Dürkheim sowie den 15 Gymnasiasten aus den thüringischen Städten Eisenberg, Hermsdorf und Stadtroda. Pfälzer und Thüringer Schüler waren sich am Ende dankbar einig: Wir haben heute klare Antworten von den Politikern bekommen! Wieder und Röhl sprachen sich dafür aus, dass ein solches Ost-West-Seminar im Bildungshaus des Bezirksverbands Pfalz zum festen Baustein der Partnerschaftspflege des Landkreises Bad Dürkheim mit dem Saale-Holzland-Kreis wird.