Die Deportation und Ermordung von südwestdeutschen Jüdinnen und Juden
Am 22. und 23. Oktober 1940 wurden Tausende Jüdinnen und Juden
aus Baden und der „Saarpfalz“ in den unbesetzten Teil Frankreichs deportiert.
Offizielle Angaben sprechen von 6.504 Menschen. Die Zahl lag
sicherlich höher. Die französischen Behörden leiteten die Züge in das Lager
Gurs, am Fuße der Pyrenäen, im Herzen des heutigen Departement
Pyrénées-Atlantiques. Gurs hatte im Verlauf seiner Geschichte verschiedenen Funktionen: Es war Flüchtlings-, Internierungs-, Durchgangs- und Konzentrationslager. Einigen Deportierten gelang von dort die Flucht, Hunderte starben. Die meisten Überlebenden wurden 1942 oder 1943 in die deutschen Vernichtungslager im besetzten Polen verschleppt und ermordet.
An diese Verbrechen, wie auch an ihre Nachgeschichte, erinnert die Ausstellung „Gurs 1940“ anlässlich des 80. Jahrestages der Deportation der Jüdinnen und Juden aus Südwestdeutschland. Sie bettet regionale Geschichte in deutsch-französische, teils auch europäische Abläufe ein und beleuchtet das Schicksal von Jüdinnen und Juden, betrachtet Täter*innen, Umstehende und Nutznießende in Deutschland und in Frankreich aus verschiedenen Perspektiven. Auch erzählt sie, wie dieser
Verbrechen gedacht wurde und wird.
Die Ausstellung der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz Berlin ist in Kooperation mit vielen Partner*innen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und dem Saarland sowie dem Auswärtigen Amt entstanden.
Die Ausstellungdurchführung erfolgt in Zusammenarbeit
des Bezirksverbands Pfalz mit der Landeszentrale für politische Bildung RLP.
Les 22 et 23 octobre 1940, des milliers d’hommes, femmes et enfants juifs des Gaue (districts) du Bade et de Sarre-Palatinat sont déportés vers la France non occupée. Le s sources officielles mentionnent le chiffre de 6 504 personnes qui, en réalité, est certainement plus élevé. Les autorités françaises acheminent les convois vers le camp de Gurs, situé au pied des Pyrénées, au coeur du département actuel des Pyrénées-Atlantiques. Ce camp remplit différentes fonctions au fil de son histoire : camp d’internement puis camp de transit. Quelques interné·e·s réussissent à en sortir, plus d’un milllier y meurent. La plupart des survivant·e·s sont déportés et assassinés entre 1942 et 1944 à Auschwitz-Birkenau et Sobibor. Ce sont ces crimes et leurs suites que rappelle notre exposition. Elle réinscrit l’histoire régionale dans des processus franco-allemands, pour part européens. Elle adopte une multiplicité de perspectives pour mettre en lumière le sort des Juives et des Juifs, mais aussi pour évoquer les auteurs et autrices de crimes, les badauds, les profiteurs et profiteuses ainsi que celles et ceux qui leur sont venus (secrètement) en aide – en France comme en Allemagne. En outre, elle retrace l’histoire de la commémoration de ces crimes jusqu’à aujourd’hui. L’exposition du mémorial et centre de formation Maison de la conférence de Wannsee est organisée en coopération avec partenaires au Bade-Wurtemberg, en Rhénanie-Palatinat, en Sarre et en France ainsi qu’avec le soutien du ministère fédéral des Affaires étrangères.
Die Inhalte – digital zugänglich
Die Inhalte der Ausstellungs-Tafeln, kuratiert von der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz, finden Sie auf der Seite www.gurs1940.de digital zur Einsichtnahme. Ferner kann auf www.gurs.education in der umfangreichen Mediathek auf Filmmaterial u.a. zum Thema zugegriffen werden.
Der regionale Teil speziell über die Deportation aus der Pfalz, zusammengestellt von Roland Paul, ist hier zum Download bereitgestellt: Download
Inhaltliche Anfragen und Anfragen zur Buchung der Wanderausstellung
bitte an: Bezirksverband Pfalz
Ulrich Burkhart
Zentralarchiv | Gedenken & Erinnern
Telefon: 0631 89290338
E-Mail: u.burkhart@bv-pfalz.de
Wanderausstellung “Gurs 1940”
Die Ausstellung ist als mobile Variante für Pfälzer Städte, Gemeinden, Museen oder Initiativen kostenfrei beim Bezirksverband buchbar. Eröffnung im Historischen Museum der Pfalz in Speyer, anschließend in zahlreichen Städten der Pfalz.
Stationen der Ausstellung 2021 – 2024 (Änderungen vorbehalten)
Speyer, Historisches Museum der Pfalz: 08.04. – 30.06.2021
Dahn, Otfried-von-Weißenburg-Gymnasium: 22.06. – 15.07.2021
Rockenhausen, Kundenhalle der Sparkasse: 02. – 20.09.2021
Altrip, Bürgerhaus Alta Ripa, Ludwigstraße: 03. – 31.10.2021
Kirchheimbolanden, Museum im Stadtpalais: 03. – 30.11.2021
Bad Bergzabern, Alfred-Grosser-Gymnasium: 03.12.2021 – 21.01.2022
Annweiler, Ratssaal der Verbandsgemeinde: 28.01. – 18.02.2022.
Pirmasens, Museum Altes Rathaus: 25.02. – 03.04.2022.
Zweibrücken, Stadtmuseum: 08.04. – 29.05.2022
Ludwigshafen, Ernst-Bloch-Zentrum: 01.06. – 23.06.2022
Frankenthal, Rathaus: 04.07. – 19.08.2022
Kaiserslautern, Theodor-Zink-Museum: 03.09. – 02.10.2022
Osthofen, KZ Gedenkstätte: 14.09. – 15.12.2022
Odenbach, Ehem. Synagoge: 05.10. – 14.10.2022
Neustadt, Stadtmuseum Villa Böhm: 21.10.– 13.11.2022
Landau, Frank-Loebsches Haus: 25.01. – 05.03.2023.
Wachenheim, Rathaus: 08.05. – 02.06.2023
Schifferstadt: 12.06. – 30.06.2023.
Bad Dürkheim, Kulturzentrum Haus Catoir: 08.10. – 30.11.2023
Bad Dürkheim, Werner-Heisenberg-Gymnasium: 03.06. – 14.06.2024
Ludwigshafen (Edigheim), IGS Edigheim: 18.06. – 11.07.2024
Ludwigshafen, Theodor-Heuss-Gymnasium: 27.08. – 13.09.2024
Zeiskam, ev. Kirche: 03.10 – 20.10.2024
Landstuhl, IGS am Nanstein: 04.11. – 15.11.2024
Enkenbach-Alsenborn, IGS: 02.12. – 13.12.2024
Begleitangebote zur Ausstellung
Virtuelle Eröffnung der Ausstellung “Gurs 1940” in Speyer
per Stream auf dem YouTube-Kanal des Bezirksverbands Pfalz
Die Eröffnung enthält auch einen filmischen Rundgang (bei Min 41:30)
Es sprechen:
Dr. Alexander Schubert (Direktor des Historischen Museums der Pfalz Speyer), Theo Wieder (Vorsitzender des Bezirkstags Pfalz), Staatssekretär Dr. Dennis Alt (Ministerium für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur Rheinland-Pfalz), Bernhard Kukatzki M. A. (Landeszentrale für Politische Bildung Rheinland-Pfalz), Prof. Dr. Michael C. Hermann (Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg), Dr. Christoph Kreutzmüller und Jennifer Heidtke (Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannseekonferenz Berlin) sowie Marina Nikiforova (Geschäftsführerin der Jüdischen Kultusgemeinde der Rheinpfalz).
Musikalische Gestaltung mit Liedern von Viktor Ullman: Karen Leiber (Sopran), i Qiong Pan (Violine), Sofia Guo (Viola) und Eric Trümpler (Violoncello)
Vortrag: „Josef Bürckel und die Deportation der pfälzisch-saarländischen Juden am 22. Oktober 1940“
per Stream auf dem YouTube-Kanal des Bezirksverbands Pfalz
Die Deportation bedeutete eine Verschärfung in der rassistischen Praxis des NS-Regimes: Erstmals wurden deutsche Juden aus dem sogenannten Altreich aus ihrer Heimat vertrieben und deportiert, womit ein Leidensweg begann, der für viele über die französischen Lager bis nach Ausschwitz führte. Bis heute sind die Entscheidungsprozesse, welche die Ereignisse des 22. Oktober 1940 nach sich zogen, noch nicht hinreichend geklärt. Der Vortrag gibt einen Überblick über Ablauf und Folgen der Deportation und wird die Frage der politischen Verantwortung des Gauleiters Bürckel diskutieren.
Referent: Dr. Walter Rummel, ehem. Leiter des Landesarchivs Speyer.
Vortrag: „Die Deportation der pfälzischen Juden nach Gurs vor 80 Jahren“
per Stream auf dem YouTube-Kanal des Bezirksverbands Pfalz
Von den 6.487 Juden, die 1933 in der Pfalz wohnten, lebten im Herbst 1940 gerade noch etwa 900 hier. Viele hatten ihre Heimat nach ihrer Entrechtung und Verfolgung verlassen, sind ins Ausland emigriert oder in größere Städte außerhalb der Pfalz gezogen. Vor 80 Jahren, am 22. Oktober 1940, wurden in einer Nacht- und Nebel-Aktion auf Weisung des Gauleiters Bürckel 825 jüdische Männer, Frauen und Kinder festgenommen und zusammen mit ca. 5.200 badischen und saarländischen Juden in das in Südfrankreich gelegene Lager Gurs deportiert. Der Referent berichtet über diese Verschleppung, die katastrophalen Zustände in Gurs und das Schicksal der Deportierten, von denen die meisten ab 1942 nach Auschwitz kamen und dort ermordet wurden.
Referent: Roland Paul, Arbeitsstelle für jüdisches Leben in der Pfalz.
Gesprächskonzert “Der Glaube an das Schöne hinter Stacheldraht: Kunst im Lager Gurs – eine Erinnerung in Texten und Musik”
Zu sehen auf dem YouTube-Kanal des Bezirksverbands Pfalz
In Gurs, dem größten Internierungslager Südfrankreichs, waren zwischen 1939 und 1944 auch zahlreiche berühmte Künstler und Künstlerinnen interniert. Sie versuchten, trotz der erbärmlichen Lebensumstände, das Leid und die Angst durch ihre Kunst zu überwinden und damit ihre menschliche Würde zu bewahren. Namhafte Musiker und Musikerinnen gaben dort im Lager erstklassige Konzerte, veranstalteten Kabarettabende, um ihren Mitgefangenen, darunter auch die ersten im Oktober 1940 aus Baden, der Pfalz und dem Saarland dorthin deportierten Juden, einen Moment des Glücks zu schenken und gemeinsam eine Oase der Hoffnung zu schaffen.
Mehrere Jahre hat die deutsch-französische Musikerin Mélina Burlaud auf den Spuren der in Gurs internierten Musiker geforscht und deren Texte und Musik aus der Lagerzeit gesammelt. Gemeinsam mit der Mezzosopranistin Lena Spohn bringt sie ein eindringlich berührendes Gesprächskonzert auf die Bühne. Durch musikalische Darbietungen der im Lager komponierten Werke und auch durch die Beschreibung der Lagerwirklichkeit mit ausgewählten Texten wird das Schicksal der Inhaftierten verdeutlicht. Es huldigt der Kraft der Kunst als Flucht in die innere Freiheit. Ein Abend, der uns wieder einmal zeigt, wie wesentlich die Rolle der Kunst zu allen Zeiten als Widerstandskraft und Lebenshilfe war und ist.
Mit Mélina Burlaud (Klavier) und Lena Spohn (Mezzosopran)
In Memoriam Margot Wicki-Schwarzschild (1931-2020)
Bericht einer Zeitzeugin
Zu sehen auf dem YouTube-Kanal des Bezirksverbands Pfalz
Der Zeitzeugenbericht aus dem Jahr 2008 erschien neu auf dem YouTube-Kanal des Bezirksverbands Pfalz. Dort wurde er am 20. Mai online gestellt. Als Neunjährige erlebte Margot Wicki-Schwarzschild die Verschleppung und Deportation ihrer Familie von Kaiserslautern nach Gurs.
Anlässlich einer Gedenkreise mit Jugendlichen nach Gurs berichtet sie, unter welch dramatischen Umständen ihr das Überleben mit ihrer Mutter Luise und ihrer älteren Schwester Hannelore gelang und wie sie die Deportation ihres Vater Richard vom südfranzösischen Lager Rivesaltes miterleben musste. Während sie mit ihrer Mutter und Schwester 1946 nach Kaiserslautern zurückkehrte, wurde ihr Vater in Auschwitz ermordet.
Detailliert schildert sie Stationen der Leidensgeschichte ihrer Familie und beschreibt die Not, die die Schwarzschilds zusammen mit ihren Schicksalsgenoss*innen durchleben mussten. Sie berichtet aber auch von Menschen, die versuchten, den Notleidenden zu helfen und deren Lage zu lindern. Einem solchen Akt von tatkräftigem Einsatz und Solidarität sollten die drei Schwarzschild-Frauen schließlich ihr Überleben verdanken.
Rahmenprogramm-Flyer als PDF zum Download
Weitere Ressourcen zu Gurs:
Die Website gurs.education bietet einen Vielzahl von Informationen und insbesondere eine Mediathek, in der aktuelle Dokumentationen zu finden sind.
Auf Youtube: „1319 km – von Neustadt nach Gurs“
Aus Anlass des 80. Jahrestages der Oktoberdeportation 1940 nach Gurs präsentierte die Gedenkstätte für NS-Opfer in Neustadt den Film von Martin Mannweiler: „1319 km – von Neustadt nach Gurs“
Der Bezirksverband Pfalz erinnerte an die Deportation der jüdischen Bevölkerung am 22. Oktober 1940 in Form einer kleinen Veranstaltungsreihe im Herbst 2020 (Flyer PDF zum Download)
Eine Broschüre zur badischen Landesperspektive der Deportation findet sich auf der Seite der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg zum Download.
Eine Broschüre zu geretteten Kindern (erstellt von Brigitte und Gerhard Brändle) steht hier als PDF zum Download.