Genau 20 Jahre, nachdem der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher verkündete, dass alle DDR-Flüchtlinge, die sich in den deutschen Botschaften in Prag und Warschau befinden, ausreisen dürfen, veranstaltete der Bezirksverband Pfalz in der Villa Denis in Frankenstein eine Gesprächsrunde mit Zeitzeugen. "Ein besonders beeindruckender Abend, an dem es gelungen ist, einen wesentlichen Punkt herauszuarbeiten", sagte Bezirkstagsvorsitzender Theo Wieder zum Abschluss der Veranstaltung und fuhr fort: "In einer Demokratie kann und muss man etwas tun." Er beklagte, dass zu viele Menschen nicht mehr bereit seien, selbst etwas zu tun. Die Zeitzeugen, die vor 20 Jahren auf zum Teil abenteuerlichen Wegen aus der DDR in die Pfalz gekommen seien und seitdem hier lebten, hätten eindrucksvoll ihre Erlebnisse rund um den Mauerfall geschildert, der "eine Wendemarke in der deutschen Geschichte darstellt". Wieder dankte Michael Garthe, Chefredakteur der "Rheinpfalz", der das Zeitzeugengespräch "einfühlsam und kompetent" moderiert habe.
Im Laufe des Abends wurde deutlich, dass die Gesprächsteilnehmer nicht aus materiellen, sondern vielmehr aus politischen Gründen in den Westen kamen. Der Zahnarzt Dr. Rupert Schneider aus Trippstadt, der sich im September 1989 in der Prager Botschaft aufhielt, warnte denn auch vor einer Glorifizierung der DDR im Nachhinein: "Die DDR war ein Unrechtsstaat." Er schilderte, dass man sich in der DDR ohne Parteiabzeichen, das im Volksmund "Existenzellipse" genannt wurde, beruflich nicht weiterentwickeln konnte. Auch die Frankenthaler Kommunalpolitikerin Sonja Schönherr und ihr Mann, der Verfahrenstechniker Dr. Michael Schönherr, die sich vor der Grenzöffnung in Budapest etwa drei Wochen lang in einem Auffangs- und Übergangslager aufgehalten hatten, sahen keine berufliche Perspektive in der DDR, da sie nicht in die SED eintreten wollten. Die Sprecherzieherin und Schauspielerin Andrea Stasche aus Kaiserslautern, die nie geglaubt hätte, dass die Mauer fallen würde, berichtete von ihrer abenteuerlichen Kajakfahrt auf der Donau mit Mann und Kindern im September vor 20 Jahren, um vom tschechoslowakischen ans ungarische Ufer und von dort zur Budapester Botschaft zu gelangen. "Wir waren froh, im Westen zu sein." Sie engagierte sich in der DDR unter dem schützenden Dach der Kirche für umweltpolitische Themen und hatte zuletzt Angst vor Repressionen.
Bernd Wittich aus Rödersheim-Gronau, Dozent in der Erwachsenenbildung, kam bereits kurze Zeit vor dem Mauerfall in die Pfalz. Er war in der DDR in Forschung und Lehre tätig und gehörte der SED an, eckte dann aber mit seiner Arbeit an. Anlass für ein Forschungs- und Berufsverbot war ein Ereignis 1987: Eine Freundin hatte für die Dauer einer einwöchigen Dienstreise nach Düsseldorf ihren zweijährigen Sohn in Wittichs Obhut gegeben und blieb im Westen. Er weigerte sich, die Frau öffentlich zur Verräterin zu erklären und das Kind ins Heim zu geben. Die Lage spitzte sich zu, bis er schließlich am 31. Dezember 1988 ausreisen musste. Hier angekommen stellte er fest, dass "die westdeutsche Gesellschaft viel offener und toleranter ist", als er zuvor angenommen hatte. Allerdings wünscht er sich, dass "die Offenheit von 1989 heute wieder stärker gelebt wird". Denn eine Demokratie müsse sich daran bewähren, dass man innerhalb einer Gesellschaft gemeinsam nach Wegen sucht, Probleme zu lösen.