Preise regnete es bei einer Feierstunde des Bezirksverbands Pfalz im Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM in Kaiserslautern. Mit dem Zukunftspreis will der Regionalverband herausragende innovative Ideen, Produkte, Vorhaben und Leistungen fördern, die die Zukunftsfähigkeit und die nachhaltige Entwicklung der Region stärken. „Die zahlreichen Bewerbungen zeigen, welches Potenzial an Forscher- und Erfindergeist die Pfalz hervorbringt“, sagte Bezirkstagsvorsitzender Theo Wieder, der die Preise überreichte. Diese Talente zu fördern, sei das Ziel des Bezirksverbands Pfalz. Die Nominierten, die nicht zum Zug kämen, würden jedoch nicht leer ausgehen, denn sie erhielten beim Hauptpreis 500 Euro beziehungsweise 200 Euro beim Nachwuchspreis. Er dankte Institutsleiterin Prof. Dr. Anita Schöbel, dass die Veranstaltung im ITWM stattfinden könne. Diese verwies darauf, dass Mathematik wichtig sei, „um die heutigen Probleme zu lösen“. „Mit Mathematik, mit dem wissenschaftlichen Know-how können wir unsere Zukunft in die Hand nehmen.“ Für sein Lebenswerk wurde Prof. Dr. Helmut Neunzert geehrt. In seiner Laudatio ging Dr. Klaus Dreßler vom ITWM, der bei Neunzert promoviert hatte, auf sein Leben, Wirken und seine Verdienste ein. Der mit 10.000 Euro dotierte Zukunftspreis ging an Dr. Wolfgang Reiser, Gründer und Geschäftsführer der Vision Electric Super Conductors (VESC) in Kaiserslautern. Mit dem Nachwuchspreis, dotiert mit 2.500 Euro, wurden Mario Schweikert, Neustadt, und Maria-Theresa Licka, Heidelberg, ausgezeichnet. Über eine mit je 500 Euro dotierte Schüleranerkennung freuten sich Julian Bender, Jule und Hannah Seidel sowie Jonas Spieler; alle Schüler und Schülerinnen gehören zur „Jugend forscht“-Arbeitsgruppe Neustadt an der Weinstraße. Auf charmante Weise moderiert wurde die Feierstunde von Tanja Hermann und musikalisch gestaltet von Konstanze Licht (Harfe) und Marc Kienle (Trompete).
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Helmut Neunzert, emeritierter Professor und früherer Leiter des neugegründeten Instituts für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM in Kaiserslautern, beschäftigte sich mit angewandter Mathematik und wirkte prägend am Aufbau der deutschen Industriemathematik (insbesondere der Technomathematik) mit. Er wurde 1936 in München geboren und war nach dem Studium der Mathematik und Physik am Forschungszentrum Jülich tätig. Nach Promotion und Habilitation kam er 1974 als Professor für die mathematischen Grundlagen von Physik und Technik an die Technische Universität Kaiserslautern und blieb bis zu seiner Emeritierung 2004. 1996 wurde er Leiter des ITWM, das 2001 als erstes mathematische Institut in die Fraunhofer-Gesellschaft aufgenommen wurde. Neunzert engagierte sich für die europäische Zusammenarbeit, auch lag ihm die Pflege internationaler Beziehungen, unter anderem zu Schweden und Indien, am Herzen; von 2008 bis 2012 war er Technologiebotschafter der Region Kaiserslautern. Seit 2016 lebt er in Prien am Chiemsee. „Bis dahin blieb er aktiv dem ITWM verbunden. Und damals war er 80“, sagte Dreßler. Er wies darauf hin, dass das Fraunhofer ITWM nicht nur das größte Forschungsinstitut in der Pfalz, sondern auch weltweit das größte für angewandte Mathematik sei. Neunzert habe postuliert, dass Mathematik in die Lösungen der Probleme der Welt involviert sei. Ingredienzien seiner Persönlichkeit seien, dass er ein sehr guter Mathematiker von fachlicher Brillanz sei, dass er eine unbändige Leidenschaft und Begeisterung an den Tag lege, wenn es um Forschung und Lehre gehe, und er Empathie und echtes Interesse an den Menschen habe. Er hätte über 40 Doktoranden betreut. Neunzert bekannte, dass für ihn immer die Leidenschaft entscheidend gewesen sei. Und er gab den Jüngeren mit auf den Weg, all das, was sie machten, mit Leidenschaft zu tun. In seiner Heimat Bayern, in der er wieder seit sechs Jahren lebe, gelte er nun als Pfälzer, während er in der Pfalz immer der Bayer gewesen sei. „Je länger ich dort wieder lebe, fühle ich mich immer mehr als Pfälzer.“ Die Pfalz sei ja durch die drei W – Weck, Worscht und Wissenschaft – gekennzeichnet. Das, was man ihm als Lebenswerk zuschreibe, sei das Werk einer begeisterten Zusammenarbeit vieler Menschen gewesen.
Dr. Wolfgang Reiser hat das Konzept eines supraleitenden Systems für die Stromübertragung bis zehn Gigawatt als energieeffiziente Alternative zur Hochspannungsübertragung entwickelt. Supraleitende Stromübertragungssysteme, die die Firma produziert, sind beim Ausbau der Stromnetze im Zuge einer erfolgreichen Energiewende von Bedeutung, da sie keine elektrischen Verluste haben, weniger Material und Platz benötigen und keine Wärme und elektromagnetischen Felder erzeugen. Im Interview mit Steffen Blaga, Leiter des Geschäftsbereichs Innovation, Umwelt und Existenzgründung der Industrie- und Handelskammer für die Pfalz erläuterte Reiser seine Innovation genauer. Nominiert für den Zukunftspreis war das Forschungsprojekt „All-Polymer“, für das der Wirtschaftsingenieur Jakob Görzen tätig ist und bei dem fünf Kooperationspartner zusammenarbeiten; es greift das dringliche Thema des nachhaltigen Wirtschaftens auf. Thomas Striegel beschäftigt sich in seinem Unternehmen TecTradeSolution in Neustadt mit der Gefahrenfrüherkennung, wobei ihn besonders die Waldbrandprävention im Pfälzerwald interessiert. Die Arbeitsgruppe des Leibniz-Instituts für Verbundwerkstoffe in Kaiserslautern hat einen gewichtssparenden und raumausnutzenden Wasserstoffspeicher in Faserverbundbauweise entwickelt; sie besteht aus Dr. Nicole Motsch-Eichmann, Diplom-Ingenieur Thomas Pfaff, Diplom-Ingenieur Uwe Schmitt und Prof. Dr. Michael Magin.
Maria-Theresa Licka und Mario Schweikert haben die „Vine Leaf Disease and Al“-App entwickelt, mit der man mithilfe von Smartphone-Bildern und künstlicher Intelligenz Rebkrankheiten anhand von Fotos mit hoher Präzision erfassen und analysieren kann. Somit kann die Ausbreitung eines Befalls im Frühstadium verhindert werden. Interviewt wurden die beiden von Prof. Dr. Werner Thiel, Vizepräsident für Forschung und Technologie an der Technischen Universität Kaiserslautern. Für den Nachwuchspreis nominiert war eine „Pfalz-Fackel“, ein mit Holzpellets nachhaltig betriebenes Outdoor-Feuer, das bis zu vier Stunden brennt und von Felix Hoffmann aus Rodenbach erfunden wurde. Jonas Mannweiler und Philipp Salm hatten eine Drohne gebaut und mit entsprechender Sensorik ausgestattet, um die Luftqualität zu überwachen. Eine Schüleranerkennung bekamen Julian Bender für seinen smarten Dolmetscher in Form eines Schuhs für hörsprachgeschädigte Menschen, Jonas Spieler für seinen smarten Hühnerstall für glückliche Hühner sowie Jule und Hannah Seidel, die kleine Wasserräder gebaut hatten, mit denen sich Energie in kleinen und mittleren Bächen erzeugen lässt.
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