Eine paläontologische Sensation ist einem deutsch-amerikanischen Forscherteam gelungen: Auf Initiative von Dr. Dieter Schweiss, Leiter des Geoskop-Urweltmuseums auf der Burg Lichtenberg bei Kusel, untersuchten Spezialisten einen Knochenfund mit dem Ergebnis, dass es sich hierbei um das Unterkiefer-Fragment eines bis dahin unbekannten Reptils aus dem Permokarbon handelt, also aus der Zeit vor etwa 300 Millionen Jahren. Anhand der geologischen Gegebenheiten am Remigiusberg bei Kusel, wo das Fossil gefunden wurde, und einer vorliegenden absoluten Altersdatierung eines dortigen vulkanischen Aschehorizontes konnten die Wissenschaftler das Alter des Knochenstücks ziemlich genau festlegen. Damit ist der Fund nicht nur der erste Beleg für Reptilien aus dieser Zeit in der Saarpfalz, sondern gleichzeitig auch der älteste Reptilfund Deutschlands und der zweitälteste in Europa.
Die neue Spezies erhielt den Namen Cryptovenator hirschbergeri, was so viel bedeutet wie Hirschbergers verborgener Jäger und auf den Landrat des Landkreises Kusel und ehemaligen Bezirkstagsvorsitzenden Dr. Winfried Hirschberger zurückgeht. Die anderen Autoren und ich möchten damit ausdrücklich einem Mann danken, der als politisch Verantwortlicher das große Wagnis eingegangen ist, in schwierigen Zeiten das Urweltmuseum Geoskop für die geologische Heimatgeschichte des Pfälzer Berglandes auf Burg Lichtenberg zu errichten und der immer wieder auf vielfältige Weise die Geologie unterstützt hat, erläutert Schweiss, der seine Gefühle beim ersten Anblick des Objekts mit einem Sechser im Lotto vergleicht. Seit mehr als 160 Jahren waren Paläontologen und Fossiliensammler einem Reptiliennachweis aus der Zeit des Permokarbon auf der Spur gewesen jedoch immer ohne Erfolg. Bis im Sommer 2002 Rudolf Bold aus Rammelsbach bei Kusel am Rand des Steinbruches in der Nähe seines Heimatortes mit seinem Hund spazieren ging. Zufällig entdeckte er an einer Abraumhalde einen Stein mit einem etwa acht mal elf Zentimeter großen hellen Fleck, der sich als Knocheneinschluss herausstellen sollte. 2008 kam der Fund schließlich an das Urweltmuseum auf Burg Lichtenberg. Mir wurde sofort klar, das ist die Sensation, so Museumsleiter Schweiss. Der Geologe machte sich daran, ein Autorenteam zu suchen, das das Stück wissenschaftlich bearbeiten könnte. Es bildete sich eine Forschungsgruppe mit Spezialisten aus Chicago, Berlin, Stuttgart und Rheinland-Pfalz.
Ähnlich wie andere Synapsiden gehört auch das neue Tier zu einer Untergruppe der Reptilien, zu den Sphenacodonten, und damit zu den damals dominierenden fleischfressenden Wirbeltieren. Als gemeinsame Merkmale besaßen sie einen echsenartigen, langgestreckten Körper mit langem Schwanz und kurzen Beinen. Die massigen Schädel waren hoch und schmal. Das große Maul hatte ein differenziertes Fleischfressergebiss mit teilweise verlängerten Vorderzähnen im Ober- und Unterkiefer und einem verlängerten Eckzahn im Oberkiefer. Mit einer Länge von etwa einem Meter war der Cryptovenator hirschbergeri kleiner als seine näheren Verwandten. Ob er wie viele dieser ein Rückensegel besaß, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, da nur ein Teil seines Unterkiefers erhalten ist. Als Räuber lebte er in einer vulkanisch aktiven Seen-, Fluss- und Seedelta-Umgebung und war ein Zeitgenosse etlicher Amphibien- und Fischarten. Fußspuren, die man ebenfalls aus dem Saar-Nahe-Becken kennt und die etwas jünger als Cryptovenator sind, stammen offenbar von einem ähnlichen Tier und wurden in der Vergangenheit unter dem Namen Dimetropus publiziert. Dank Cryptovenator weiß man nun, dass die Reptiliengruppe der Sphenacodonten auch schon im späten Karbon, dem Zeitalter, das dem Perm vorausgeht, in Deutschland beheimatet war.
Auf Grund seiner wissenschaftlichen Bedeutung ist das Unterkieferfragment mit den elf Zähnen und einem leeren Zahnfach an die Geologische Landessammlung in Mainz übergeben und dort inventarisiert worden. Das Original wird allerdings als Dauerleihgabe am Geoskop-Urweltmuseum auf Burg Lichtenberg verbleiben, wo es die Besucher sehen können. Das Geoskop ist täglich von 10 bis 17 Uhr geöffnet (im Winter Mittagspause von 12 bis 14 Uhr). Die wissenschaftliche Arbeit zur Auswertung des Fundes kann unter www.urweltmuseum-geoskop.de abgerufen werden.