Siegeszug einer Idee

Seit 30 Jahren lernen hörbehinderte und normal hörende Kinder gemeinsam

Gemeinsam lernen

„Wichtig ist es, dass dieses Erfolgsmodell immer wieder an die veränderten Bedingungen angepasst wird", sagte Pfalzinstitutsdirektorin Dr. Hiltrud Funk. Sie wünschte sich nicht nur eine engere Kooperation mit den Regelschulen vor Ort, sondern auch dass diese Art des gemeinsamen Lernens nun auch in der Hauptschule praktiziert werden könne. Vera Reiß, Staatssekretärin vom Mainzer Bildungsministerium, signalisierte Bereitschaft, darüber in einen „konstruktiven Dialog" zu treten. Ottmar Miles-Paul, Landesbeauftragter für die Belange behinderter Menschen und seit einem Hörsturz selbst Betroffener, hob hervor, dass die Präventive Integration hörbehinderte Kinder selbstbewusster mache und normal hörende Kinder durch den Umgang mit ihnen profitierten.

Dr. Herbert Breiner, damaliger Leiter des Pfalzinstituts und Vater des Modells, gab Einblicke in die Praxis der Präventiven Integration. So sei es für die Entwicklung der Kinder wichtig, dass die Gruppen paritätisch, in der Regel je fünf bis sieben hörgeschädigte und normal hörende Kinder, zusammengesetzt seien. Damit werde gewährleistet, dass einerseits das kommunikative Verhalten der gut hörenden Kinder weiter gefördert und andererseits den behindertenspezifischen Bedürfnissen Rechnung getragen werde. Professor Dr. Gottfried Diller von der Pädagogischen Hochschule Heidelberg, der das Modellprojekt wissenschaftlich begleitet hat, führte aus, dass die Präventive Integration eine „Brücke von der Isolation zur Gemeinsamkeit" schlage. Das Modell werde von dem „Prinzip der Vielfalt und individuellen Förderung" getragen. Auch Betroffene kamen zu Wort: So berichteten die ehemalige Schülerin Gülcin Al sowie Hergard Schreiner, deren zwei normal hörende Söhne den Kindergarten und die Grundschule des PIH besucht hatten, dass die gemeinsame Betreuung die Kinder in ihrer persönlichen Entwicklung vorangebracht hätte. Für die musikalische Gestaltung der Feierstunde sorgten hörgeschädigte und normal hörende Kinder des Kindergartens und der Grundschule.

Seine langjährige Erfahrung dokumentiert das Pfalzinstitut in dem Buch „30 Jahre Präventive Integration", das Beiträge zu Theorie, Konzeption und Forschung ebenso enthält wie Berichte aus der Praxis von Lehrerinnen und Lehrern, Eltern undehemaligen Schülerinnen und Schülern. Es ist zum Preis von 38 Euro im Buchhandel erhältlich (ISBN 978-3-941146-00-6).

„Im Grunde feiern wir heute den Siegeszug einer Idee", stellte Bezirkstagsvorsitzender Theo Wieder bei der Feier des 30-jährigen Bestehens der so genannten Präventiven Integration am Pfalzinstitut für Hörsprachbehinderte (PIH) in Frankenthal fest. 1978 sei die Idee revolutionär gewesen, hörbehinderte und normal hörende Kinder gemeinsam zu fördern, und es habe viel Muts bedurft, dies in die Tat umzusetzen. Die Erfahrungen hätten gezeigt, dass sich das damals zum ersten Mal in Deutschland praktizierte Modellprojekt inzwischen hervorragend bewährt habe. Es ermögliche, dass „die jungen Menschen soziale Kompetenz erwerben können"; dies bedeute, sich in die Lage anderer hineinzuversetzen und aufeinander Rücksicht zu nehmen, so Wieder. Schließlich sei soziale Kompetenz „eine wichtige Voraussetzung, um gesellschaftspolitisch zu handeln." Nachdem die Präventive Integration zunächst im Förderkindergarten angewandt worden sei, habe man sie ab 1992 in der Grundschule erprobt. Inzwischen sei sie in vielen Schulen im In- und Ausland selbstverständlich. Der Bezirksverband Pfalz als Träger der Schule unterstütze stets gerne die am Pfalzinstitut geleisteten innovativen Entwicklungen.