Von den Gräueltaten in Auschwitz erschüttert

Gedenksteine für Versöhnungshügel übergeben

Totengedenken: Theo Wieder legt im Hof des Todesblocks vom KZ Auschwitz Blumen nieder

„Wir gedenken im Stillen der Opfer der schrecklichsten Verbrechen, die hier verübt wurden und geloben, unser Möglichstes zu tun, dass sich dies nicht wiederholt." Mit diesen Worten fasste der Frankenthaler Oberbürgermeister und Vorsitzende des Bezirkstags Pfalz, Theo Wieder, die Eindrücke während eines mehrstündigen Gangs durch die Gedenkstätte Auschwitz zusammen. „Mir ist wichtig, dass wir das Erlebte weitertragen mit all den Emotionen, die uns angesichts der Gräueltaten erschüttert haben." Eine 32-köpfige Delegation des Bezirksverbands Pfalz und der Stadt Frankenthal, darunter sieben Schülerinnen und Schüler im Alter zwischen 16 und 21 Jahren, besuchte die polnische Stadt Oswiecim etwa 60 Kilometer südöstlich von Krakau, um sich mit Gedenksteinen aus der Pfalz an einem Versöhnungsprojekt zu beteiligen. In unmittelbarer Nachbarschaft zur Stadt hatten die Nazis das Konzentrationslager Auschwitz errichtet. Hier starben zwischen 1940 und 1945 mindestens 1,1 Millionen Menschen, davon eine Million Juden. Von den rund 1.100 Pfälzern, die 1940 zunächst in das Lager im südwestfranzösischen Gurs verschleppt wurden, starben nachweislich etwa 500 Personen später in Auschwitz; die Zahl dürfte allerdings, so die bisherigen Erkenntnisse des Instituts für pfälzische Geschichte und Volkskunde, deutlich höher liegen. Im Hof des Todesblocks im Arbeitslager Auschwitz I legte die Delegation Blumen nieder und gedachte im Vernichtungslager Auschwitz II (Birkenau) mit Kerzen der Ermordeten.

Zuvor hatte der 48 Jahre alte Oswiecimer Geschichtslehrer Janusz Wlosiak, der die Delegation über das Gelände führte, immer wieder darauf hingewiesen, dass es sich um den „größten Friedhof der Welt" handele, allerdings „ohne Gräber", denn die Toten seien verbrannt und ihre Asche in der Umgebung verstreut worden. „Bis heute finden die Menschen immer noch Knochenreste auf ihren Feldern." Von Gefühlen überwältigt gehen die Delegationsmitglieder schweigend an Bergen von Brillen, Schuhen, Kämmen, Zahnbürsten, Rasierpinseln, Töpfen, Koffern, Gebetstüchern, Krücken und Prothesen vorbei. An einem Glaskasten mit Haaren erläutert Janusz Wlosiak: „Was Sie hier sehen, sind zwei Tonnen Haare… von etwa 40.000 bis 60.000 Frauen." Und erläutert, dass dies nur ein Bruchteil dessen sei, was man all den Toten abgeschnitten habe, um in Textilfabriken Filz herzustellen. Allerdings könne man es nicht vor dem Verfall retten, denn das Haar sei durch das Zyklon B, mit dem die SS-Schergen die Gefangenen in den Gaskammern ermordet hätten, stark in Mitleidenschaft gezogen worden.

„Vieles von dem, was ich vorher gelesen und gehört hatte, konnte ich nicht richtig glauben", sagte die 20 Jahre alte hörgeschädigte Anna Klinkner, die zurzeit eine Ausbildung zur Bürokauffrau am Pfalzinstitut für Hörsprachbehinderte in Frankenthal absolviert; sie will nun entschlossen jedem widersprechen, „der Auschwitz anzweifelt". Und der 17-jährige Michael Diehl, Berufsfachschüler der Meisterschule für Handwerker in Kaiserslautern, war überwältigt von der „Unmenschlichkeit, die hier geherrscht hat". „Unfassbar, wie grausam Menschen sein können", so drückte der 18 Jahre alte Felix Wohlfahrt vom Frankenthaler Karolinengymnasium seine Gefühle aus. Von den Ausmaßen des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau war auch der 16-jährige Yannick Becker vom Frankenthaler Albert-Einstein-Gymnasium beeindruckt. Die Jüngste in der Schülergruppe, Jule Martin, ebenfalls vom Albert-Einstein-Gymnasium, ist froh, dass sie ihre anfängliche Angst überwunden hat und „das alles sehen konnte", um sich nun noch engagierter für Toleranz gegenüber anderen einzusetzen. Und Konstantin Werner, 17 Jahre, vom Karolinengymnasium ist nach dem Besuch der Gedenkstätte überzeugt: „Wir haben eine Verantwortung, dass man das Andenken bewahrt."

Beim anschließenden Empfang durch den Oswiecimer Stadtpräsidenten Janusz Marszalek wurde deutlich, welch schweres Erbe die Stadt zu tragen hat. „Wir versuchen, der Stadt ein Eigenleben zu geben", so Marszalek, und die Besucher einzuladen, die jahrhundertealte Geschichte zu entdecken, in der Juden und Christen immer friedlich miteinander gelebt hätten. Mit dem Gedenk- und Versöhnungshügel, der zwischen Auschwitz I und II errichtet werden soll, wolle man eine Brücke zur Welt schlagen und ein Symbol für den Frieden errichten. Er soll die Form eines 30 Meter hohen Kegels mit einem Durchmesser von 100 Metern am Boden erhalten. „Ich bin stolz, dass mich der Bezirksverband Pfalz ausgewählt hat, den Gedenkstein zu gestalten und mit hierher zu fahren", sagte der 21-jährige angehende Steinmetz- und Steinbildhauer Pascal Elarbi von der Meisterschule für Handwerker, der entschlossen gegen Neonazis und Rassisten auftritt. Und auch die 78 Jahre alte Bildhauerin Verena Schubert ist froh, dass „sich etwas Greif- und Sichtbares aus Frankenthal nun in Auschwitz befindet". Theo Wieder versprach Janusz Marszalek beim Abschied, „in Kontakt zu bleiben" und lud ihn zu einem Gegenbesuch in die Pfalz ein.