Jetzt wird’s Gurs", stellte der 81-jährige Paul Niedermann fest, als es heftiger zu regnen anfing, während er zusammen mit einer Gruppe Jugendlicher und einer Delegation des Bezirksverbands Pfalz das ehemalige Lagergelände im südwestfranzösischen Gurs besuchte. Dorthin wurden 1940 die pfälzischen Juden deportiert, darunter der damals 12-jährige Paul, der zwei Jahre lang das Lagerleben ertragen musste, das von Hunger, Schlamm, Ungeziefer und der Ruhr geprägt war. Seine Schilderungen beeindruckten die neun Pfälzerinnen und Pfälzer im Alter zwischen 17 und 21 Jahren, die auf Einladung des Bezirksverbands Pfalz an der Reise teilnahmen. Als Jugendgruppenbetreuerinnen und -betreuer der evangelischen, katholischen und jüdischen Gemeinden wollen sie zu Hause über das Erlebte berichten. Zeitzeuge Paul Niedermann, der sich nach dem Zweiten Weltkrieg in Paris niedergelassen hatte und seit Jahren mit seiner grauenvollen Vergangenheit in die Öffentlichkeit geht, sagte bei der Gedenkfeier auf dem Deportiertenfriedhof: Dass ich Sie hier treffe, zeigt mir wieder, dass die Gewissen erwachen, und ich kann hoffen, dass auch nach unserem Verschwinden die tragischen Geschehen aus jenen schrecklichen Tagen nicht in der Senke verschwinden werden." Und er bekannte: Meine Erregung hier in Gurs ist immer noch stark, denn ein Teil der Meinen ist hier begraben, andere wurden von hier nach Osten deportiert, in die Vernichtungslager, und die haben natürlich keine Ruhestätte." Er wünschte sich, dass insbesondere die jüngere Generation wachsam sei, um zu verhindern, dass sich diese Dinge je wiederholen".
Der Delegation des Bezirksverbands Pfalz gehörten Bezirkstagsvize Manfred Petry, der zum fünften Mal die Gedenkstätte besuchte, Altbezirkstagsvorsitzender Joachim Stöckle (CDU), Elisabeth Morawietz (SPD), Emil Georg Anicker (FWG), Heinz-Peter Schneider (Grüne) und Heinrich Wissing (FDP) an. Begleitet wurden die pfälzischen Jugendgruppenbetreuer von der Gymnasiallehrerin Sonja Tophofen, die an den kürzlich erschienenen Unterrichtsmaterialien Die Pfalz im Nationalsozialismus" des Bezirksverbands Pfalz mitgearbeitet hat, und von Roland Paul vom Institut für pfälzische Geschichte und Volkskunde, der seit mehr als 20 Jahren dem Schicksal der pfälzischen Juden auf der Spur ist. Seine neusten Forschungen, unter anderem im Archiv des Départements Pyrénées-Atlantiques in Pau, haben ergeben, dass etwa 1.400 Pfälzer Juden und nicht, wie bisher bekannt, etwa 810 1940 nach Gurs deportiert wurden. Viele sind nach Kriegsbeginn in badische Städte geflüchtet und Monate später von dort verschleppt worden", erläuterte Paul den Jugendlichen. Einige hundert seien schon zwischen 1933 und 1939 nach Frankreich emigriert und nach Kriegsbeginn als feindliche Ausländer" interniert und nach mehreren anderen Lageraufenthalten schließlich in Gurs gelandet. Es hätten auch einige Juden aus der Pfalz nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten zunächst in Belgien Unterschlupf gefunden, bis sie dann später nach Frankreich gebracht worden seien.
Seit einigen Jahren beschäftigt sich der Bezirksverband Pfalz intensiv mit dem dunkelsten Kapitel der pfälzischen Geschichte. Im Jahr 2000 besuchte Stöckle, damals Bezirkstagsvorsitzender, das ehemalige Lagergelände und den Friedhof in Gurs und machte sich für eine Beteiligung an den Gedenkaktivitäten stark, die seit rund 50 Jahren in Händen der Arbeitsgemeinschaft badischer Städte liegt. 2001 bewilligte der Bezirkstag Pfalz einen Zuschuss von 25.000 Euro zur Errichtung einer Gedenkstätte auf dem ehemaligen Lagergelände in Gurs, das nach Kriegsende eingeebnet und mit Bäumen bepflanzt wurde. 2006 trat der Bezirksverband Pfalz der Arbeitsgemeinschaft badischer Städte bei und zahlt nun jährlich einen Zuschuss von 5.000 Euro für die Pflege und Unterhaltung des Friedhofs, auf dem etwa 1.070 deportierte Juden aus Baden und der Pfalz beerdigt sind. Im vergangenen Jahr hat der pfälzische Kommunalverband eine Gruppe von 15 Schülerzeitungsredakteuren aus der Pfalz eingeladen, um sich vor Ort, aber auch während eines Vor- sowie Nachbereitungstags in der Pfalzakademie Lambrecht sowie der Gedenkstätte Osthofen mit der Deportation der pfälzischen Juden nach Gurs zu beschäftigen.