Zeitzeugin beeindruckt Jugendliche in Gurs

Gedenkfahrt des Bezirksverbands Pfalz ins ehemalige Internierungslager

Gebannt von den Berichten der Zeitzeugin: Jugendliche aus der Pfalz und aus Baden mit Eva Mendelsson im ehemaligen Internierungslager Gurs

„Der Mut von Frau Mendelsson, mit uns nach Gurs zu kommen und über ihre schrecklichen Erfahrungen an diesem Ort zu sprechen, beeindruckt mich sehr “, so der 17-Jährige Maximilian Kirch aus dem nordpfälzischen Oberweiler-Tiefenbach. Insgesamt 20 Jugendliche aus der Pfalz und Baden nutzen bei der diesjährigen Gedenkfahrt des Bezirksverbands Pfalz sowie weiterer Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft zur Unterhaltung und Pflege des Deportiertenfriedhofs in Gurs die Gelegenheit, die Zeitzeugin Eva Mendelsson nach ihren Erlebnissen und Gefühlen zu fragen. „Ihr seid mit verantwortlich dafür, dass so etwas nicht mehr passiert“, sagte die Überlebende des Lagers zu der Schülergruppe fast 71 Jahre, nachdem sie als Neunjährige von Offenburg nach Gurs im Südwesten Frankreichs deportiert wurde. „Ihr müsst aufmerksam sein und immer gleich eingreifen, wenn Schwächere oder Minderheiten bedroht werden.“ Es sei ihr sehr wichtig, den jungen Menschen diese Ermutigung und ihre Erfahrungen mitgeben zu können, sagte Mendelsson.

Während der Begehung des Lagers und bei einem anschließenden Gespräch hörten die Jugendlichen gespannt und bewegt den Berichten von Eva Mendelssohn zu, etwa darüber, wie es war, als die Nazis am 22. Oktober 1940 die über 6.500 Juden aus der Pfalz und Baden verschleppten und wie der Alltag im Lager aussah. Hunger und Kälte, Ratten und Ungeziefer, unerträgliche hygienische Zustände und die schier ungeheuren Schlammmassen machten den Insassen das Leben schwer. Zahlreiche von ihnen starben dort und in anderen südfranzösischen Lagern unter den katastrophalen Bedingungen, fast die Hälfte wurde in die Vernichtungslager der Nazis im Osten gebracht und ermordet. Einige überlebten den Terror, nur ganz wenige von ihnen kehrten in die Pfalz zurück. Die 1931 geborene Eva Mendelsson verbrachte ihre ersten Lebensjahre in Offenburg. Dem Vater gelang 1939 die Flucht nach England. Zusammen mit Mutter Sylvia Cohn und Schwester Myriam wurde Eva Mendelsson nach Gurs deportiert. Sowohl die Mutter als auch die ältere Schwester Esther wurden in Auschwitz ermordet. Dem Schweizer Kinderhilfswerk Oeuvre de secours aux enfants gelang es 1943, Eva und Myriam über die Schweizer Grenze zu bringen. 1945 übersiedelten beide zum Vater nach England, wo Eva Mendelsson bis heute lebt.

Die Schüler nahmen in Gurs zusammen mit einer Delegation von politischen Vertretern aus Deutschland und Frankreich sowie Mitgliedern der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden an der offiziellen Gedenkfeier der Arbeitsgemeinschaft teil, der neben den badischen Städten seit 2006 auch der Bezirksverband Pfalz angehört. Darüber hinaus besuchten sie die Synagoge in Pau, wo der Rabbiner ihnen zahlreiche Fragen zur jüdischen Kultur und Religion beantwortete. Begleitet wurden sie unter anderem von Roland Paul vom Institut für pfälzische Geschichte und Volkskunde, der im Auftrag des Bezirksverbands Pfalz seit mehr als 20 Jahren dem Schicksal der pfälzischen Juden auf der Spur ist. Seine neusten Forschungen, unter anderem im Archiv des Départements Pyrénées-Atlantiques in Pau, hat er in der umfangreichen Publikation „Die nach Gurs deportierten pfälzischen Juden“ zusammengetragen. Seit einigen Jahren beschäftigt sich der Bezirksverband Pfalz intensiv mit dem dunkelsten Kapitel der pfälzischen Geschichte. 2001 bewilligte der Bezirkstag Pfalz einen Zuschuss von 25.000 Euro zur Errichtung einer Gedenkstätte auf dem ehemaligen Lagergelände in Gurs, das nach Kriegsende eingeebnet und mit Bäumen bepflanzt wurde. 2006 trat der Bezirksverband Pfalz der Arbeitsgemeinschaft badischer Städte bei und zahlt nun jährlich einen Zuschuss von 5.000 Euro für die Pflege und Unterhaltung des Friedhofs, auf dem etwa 1.070 deportierte Juden aus Baden und der Pfalz beerdigt sind.